Testimonial von Ernst Löschner für Baum 3
Seit über 60 Jahren kennen wir uns, Marko Feingold und ich. Als ich 1956 als 13-Jähriger mit meiner Familie von Zell am See nach Salzburg übersiedelte, führte Marko ein Modengeschäft, in dem unsere Mutter oft für mich und meine Brüder einkaufte. In seinem Geschäft hatte der Briefmarkenhändler „Herr Alge“ eine Verkaufsbudel, die ich als angehender passionierter Philatelist oft heimsuchte und dabei auch immer wieder ein paar Worte mit Marko wechselte. Er hatte oft eine witzige Beobachtung auf seinen Lippen. Nie und nimmer hätte ich geahnt, dass es ein Überlebender von 4 Konzentrationslagern war, der sich für mich interessierte.
Erst viel später - meine Mutter konnte mithelfen, dass der jüdische Friedhof in Salzburg Ende der 80er-Jahre saniert werden konnte - wurde mir seine Rolle als Präsident der (leider schwindenden) Kultusgemeinde Salzburg bewusst, und als ich dann 2003 meine Nachforschungen zum jüdischen Exodus über den Krimmler Tauern begann, war dies gleichzeitig der Beginn unserer Freundschaft, die sich Jahr um Jahr vertiefte, besonders auch mit seiner Frau Hanna.
„Wer einmalig gestorben ist, dem tut nichts mehr weh“: dass Marko immer wieder überlebte wie durch ein „Wunder“, ist eines...und doch: wenn es irgendjemanden gibt, dem dieses Wunder zuzu“trauen“ ist, dann ist es wohl dieser wendige, listige und lustige kleine Mann, der bei seiner Befreiung in Buchenwald kaum 30kg mehr wog. Dass er und die anderen befreiten Österreicher von unserem Staat nicht nur nicht willkommen geheißen, sondern „zurück“ geschickt wurden, ist Teil des „Niemals vergessen!“, den wir uns als zeitgeschichtlichen Spiegel vorzuhalten haben. Marko ließ sich in Salzburg nieder und fand sich sofort wieder als Helfer für verzweifelte Mitmenschen, auch mit den Überlebenstricks, die er sich selber angeeignet hatte und nun für andere einsetzte, oft mit „Chuzpe“ und einer psychologischen Sicht durch beamtete Pappenheimer hindurch, als es zb darum ging, Flucht-LKWs zu requirieren oder sogenannte Ost-Juden als wasch-echte „Italiener“ über den Brenner zu schleusen.
Dass er derjenige war, der 1947 die Fluchtroute über den Krimmler Tauern ausgekundschaftet hatte, und damit über 5.000 Menschen Hoffnung auf eine neue Heimat erschloss, habe ich schon oft betont. Heute will ich ihm vor allem danken, wie selbstverständlich er Jahr für Jahr bei den APC-Veranstaltungen in Krimml mitwirkt, ebenso bei allen APC-Events in Salzburg, Wien, Jerusalem und Tel Aviv (2017 als 94-Jähriger!).
Seine Schlagfertigkeit hat er bis heute nicht eingebüßt: er meinte, zu mir gesprochen, „da musst du erst 100 werden, um meinen 130er mit mir zu feiern!“. Einen 105-Jährigen in unserer Mitte zu wissen: Die APC-Wanderer durften sich darüber auch beim 12. APC glücklich schätzen.
Einige Male durfte ich Gast in der Salzburger Kultusgemeinde sein. Dabei konnte ich Marko (oder Max, wie ich ihn nennen darf) in einer besonderen Einmaligkeit erleben: mit welcher Überzeugungskraft und auch mit welcher Einfühlung er jungen Menschen begegnet. Etwa 30 Schülerinnen und Schüler waren aus Bayern gekommen zu einem für sie sicher unvergesslichen Erlebnis in der Salzburger Synagoge. Hans Nerbl und John Himmelbauer haben dann das Gespräch aufgezeichnet, das ich anschließend mit Marko führte *).
Es ist mir Ehre und Anliegen, als einer der Stifter für den Baum # 3 im Hain der Flucht zu fungieren. Möge Marko Feingold uns noch lange bei guter Gesundheit erhalten bleiben. Immer wieder rufe ich ihm zu: „Halt durch, Marko!“
*) https://www.youtube.com/watch?v=UPsqc0lm1h4&ab_channel=HansDieterNerbl