Testimonial von Ernst Löschner für Baum 7
Wie schön, dass der Baum für Paul Rieder die # 7 ist, diese Glückszahl in vielen Kulturen, die auch für den Hain der Flucht mit seinen 7x7= 49 Bäumen symbolisch wurde als Botschaft der Hoffnung für jene, die ihre Heimat verlassen mussten. So ist Paul, dem selber das Glück zuletzt nicht hold war, ein Glücksbringer. Wenn ich heute dieses Testimonial für ihn verfasse, so ist dies eine Selbstverständlichkeit für mich, genau so wichtig wie schmerzlich. Ich schreibe diese Zeilen für jene, die sie lesen werden, dahinter verbirgt sich aber eine innige Zwiesprache mit dir, lieber Pauli, bei der mir das Wasser in die Augen schießt.
Der legendäre Viktor Knopf hatte im Sommer 1947 allein 3.000 der insgesamt mehr als 5.000 jüdischen Flüchtlinge sicher über den Krimmler Tauern geleitet. 60 Jahre später war Paul Rieder (1950-2010) Ende Juni 2007 jener Bergführer, der beim allerersten Alpine Peace Crossing im Geist vom Viktor Knopf für 155 Menschen die 1. APC- Friedenswanderung umsichtig und einfühlsam verantwortete. Er hatte zuvor mit seiner Frau Greti und weiteren Freunden den Weg genau recherchiert, und dann einen Arzt und seinen Sohn Wolfgang als Sanitäter für den gemeinsamen Marsch gewonnen. Die Zeitzeugen aus Israel gingen direkt hinter ihm und so blieb es die gesamten 8-9 Stunden der Wanderung, was von allen Teilnehmern voll respektiert wurde. Vor der Passhöhe kam der dramatische Moment, als Yackob Shwartz immer langsamer wurde und erst dann gestand, dass er mit einem künstlichen Knie am Weg war. Er wollte aber die Wanderung unbedingt mitmachen, da er als 6-Jähriger vor 60 Jahren auf den Schultern seines Vaters getragen wurde und auch in der Nacht auf der Passhöhe dabei war. Paul Rieder kümmerte sich vorbildlich um Yakoov, gönnte ihm eine zusätzliche Rast, sodass der nun 66-Jährige aus eigener Kraft die gesamte Überquerung schaffte.
Paul Rieders allergrößter Verdienst für APC war es jedoch, dass er derjenige war, der mir den berühmten Stein in die Hand gab, den ich ins Wasser warf in der Hoffnung, dass sich viele Kreise bilden würden. Diese symbolische Steinübergabe war im Sommer 2003, als er meinen Sohn Lukas, meinen Neffen Leonhard und mich einlud, mit ihm die Dreiherrenspitze (3.500m) zu besteigen. Während des Gewitters beim Abstieg erzählte er von der "Krimmler Judenflucht" und veranlasste mich dadurch zu weiteren Recherchen, die letzten Endes 2007 zur Gründung von Alpine Peace Crossing führten. Ohne Paul wäre APC nie entstanden und die Judenflucht wäre wahrscheinlich heute noch verdrängt und nahezu vergessen.
Mit Paul war ich viel klettern, zuerst im Steinernen Meer, später auch in den Schweizer Bergen. Jahrelang war er auch der Schibergführer für mich und meine Familie und Freunde. Meine bergsteigerischen Höhepunkte mit ihm sind sicher die Sommerstein S-W, Watzmann-Ostwand und das Weißhorn im Wallis. Mit ihm und seiner ganzen Familie hat mich bald eine wunderbare Freundschaft verbunden, nicht nur in den Bergen. Er war beliebt bei allen, die ihn näher kennenlernten, auch wegen seines ansteckenden Humors. Sein großes Herz schlägt weiter, das spüre ich.